Ich war unterwegs … in Hamburg. Zum Pilgern. In der Stadt pilgern – ist das nicht ein Widerspruch an sich? Einerseits: Die Stadt mit lärmendem Verkehr, hupenden Autos und Menschen, die geschäftig hin- und her laufen, um in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu erledigen; andererseits: entschleunigtes Gehen mit Muße zum Stehenbleiben und Schauen, abgekoppelt vom Alltag.
In der Stadt pilgern – geht das überhaupt? Ein Versuch.
Pilgern in Hamburg ist möglich auf einem Abschnitt der Via Baltica. Dieser ca. 600 km lange Pilgerweg durchzieht nicht nur Norddeutschland, sondern auch auf rund 60 Kilometern das Stadtgebiet der Hafenmetropole. Ich werde von der Innenstadt nach Wedel laufen – eine Strecke von ca. 20 Kilometern.
Los geht’s an der Jakobikirche – hier hatte ich mir spirituelles Weggeleit erhofft; doch sowohl Pilgerbüro als auch die Kirchenpforten sind an diesem nasskalten Morgen im Februar geschlossen.
Ähnliches widerfährt mir bei der Petrikirche weiter die Straße runter; die Nikolaikirche ist sowieso nur eine Ruine. Lebendig wird’s erst wieder bei der Michaeliskirche. Hier fahren nicht nur die Touristenbusse vor, sondern auch Handykameras klicken ohne Unterlass. Die Atmosphäre im Kirchenraum ist dementsprechend unruhig und lädt nicht zum Sammeln und Verweilen ein.
Sowieso habe ich mich bis hierher eher als Tourist denn als Pilger gefühlt. Es galt, das Rathaus zu bestaunen, die Skulpturen auf der Trostbrücke, am Rödingsmarkt einzutauchen in das Großstadtgewühl, sich treiben zu lassen zum Herrengraben.
Erst nach dem Michel wird es ruhiger. Die skandinavischen Seemannskirchen verbreiten maritimes Flair, genauso wie der Blick auf die Landungsbrücken wenig später und dann auf die Hafenanlagen.
Auch der Fischmarkt liegt auf der Via Baltica – an diesem Morgen jedoch ohne Fisch.
Das war’s dann aber zum Glück mit dem Touri-Programm par excellence – das nächste Teilstück des Pilgerwegs über den Altonaer Balkon vermittelt einen ersten Eindruck davon, was es heißt, jenseits des Alltags zu flanieren, mit erhabenem Blick auf die Welt „da unten“.
Leute mit Hunden und einzelne Spaziergänger sind es, die die grau-grünen Parkanlagen dominieren. Alles ein wenig gedämpft in grau-diesig-feuchter Luft. Doch auch das Wetter schafft Abstand zur lebhaft-bunten Alltagswelt.
Eine gute Vorbereitung auf das, was dann kommt: Strand satt. Nach Övelgönne hat man das Gefühl, man habe das Setting der Millionenstadt im Norden gegen einen einsamen Nordseestrand getauscht. Auf dem Elbuferweg geht es jetzt an Sand und Strand entlang. Die Kulisse ändert sich – mal beeindrucken rechts die feinen Villen von Blankenese, dann durchläuft man das Waldgebiet von Falkenstein – doch links hat man stets den Ufersaum der Elbe an seiner Seite.
Einsamer Strand so weit das Auge reicht – das ist nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man an Hamburg denkt. Doch für den Pilger natürlich eine hervorragende Gelegenheit, um bei sich anzukommen und das bewusst zu tun, worum es geht: gehen.
Ist man während der vergangenen Kilometer auf kleinen Straßen und Pfaden schon mal runter gekommen, gelingt es hier, beim gleichmäßigen Stapfen durch den gelben Sand, seinen Rhythmus zu finden und abzuschalten.
Auch die sinnbildliche Ebene kommt nicht zu kurz: Ein einsamer Frachter, der vorüberzieht – dem Meer entgegen; ein Leuchtturm, der Orientierung schafft. Das lässt sinnieren – an das Schiff des Lebens denken, an die Fixpunkte im Leben.
Die Sicht auf das klotzige Heizkraftwerk Wedel mit rauchenden Schornsteinen bereitet diesen Gedankenspielereien ein abruptes Ende.
Auch der Weg ändert sich. Von harten Gehplatten zum Höhenweg, der dann vor dem Gelände des Kraftwerks jäh endet.
Von hier aus geht es mit Bus und Bahn zurück in die Innenstadt. Dort, wo es wieder laute Geräusche gibt, grelle Farben und einen hektischen Alltag.
Stadtpilgern – geht das? Nicht immer und nicht überall, aber immer mal wieder zwischendurch.





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